Johannes Reuchlin (1455 – 1522)

Johannes Reuchlin (auch Johann Reichlin, gräzisiert Kapnion, Capnio (Räuchlein); * 29. Januar 1455 in Pforzheim; † 30. Juni 1522 in Stuttgart) war ein deutscher Philosoph, Humanist, Jurist und Diplomat. Er gilt als der erste bedeutendere deutsche Hebraist christlichen Bekenntnisses. Er war der Großonkel von Philipp Melanchthon.

Erasmus von Rotterdam und Johannes Reuchlin gelten als die beiden wichtigsten europäischen Humanisten. Von seinem älteren niederländischen Kommilitonen Rudolf Agricola beeinflusst, entwickelte sich Reuchlin zum deutschen Repräsentanten des Renaissance-Platonismus. Er entdeckte die mystische und theologische Grundhaltung in den Chaldäischen Orakeln und der Kabbala (De verbo mirifico 1494 und De arte cabalistica 1517), bei Zoroaster und Pythagoras. In De arte cabalistica, seinem Hauptwerk, entwirft er im 2. Buch, dass Pythagoras die kabbalistische Lehre übernahm. Pythagoras wird als theologisch-philosophische Vermittlungsfigur zwischen jüdischer Weisheit und griechischer Wissenschaft eingeführt.

Im Vorwort zu De arte cabbalistica schreibt er:

„Marsilio (Ficino) brachte Platon für Italien heraus und Lefèvre d’Étaples stellte Aristoteles für Frankreich wieder her. Ich werde die Zahl vervollständigen, und ich, Capnion, werde Pythagoras den Deutschen zeigen, wiedergeboren durch mich.“

Nikolaus von Kues beeinflusste Reuchlin erheblich, er benutzt sein Vokabular und greift den Begriff des Symbolischen auf. Handschriften von Kues befanden sich in seinem Besitz. In De arte cabbalistica, das Papst Leo X. (einem Medici) gewidmet ist, benutzt er zur Verteidigung seines Pythagoreismus das Vokabular des Kardinals Nikolaus v. Kues, der seine Zahlen-Wissenschaft schon symbolisch beschrieben hatte.

Als neulateinischer Dichter unternahm er den Schritt vom Dialog zum Drama und wurde so Begründer des neueren deutschen Dramas und des Schuldramas. In Heidelberg entstanden 1496/1497 seine dramatisierte Satire Sergius und die Komödie Scaenica Progymnasmata (Henno), letzteres von Hans Sachs als Fastnachtsspiel bearbeitet. Er greift thematisch die italienische Commedia dell’arte auf.

Seine Übersetzungen, Textausgaben und persönlichen Anregungen förderten die Kenntnis der altgriechischen Sprache. Durch sein in Deutschland damals außergewöhnliches Studium der althebräischen Sprache erschloss er der Wissenschaft das Alte Testament. In der Folgezeit diente sein Werk De rudimentis hebraicis dazu als Grundlage.

Quelle

zur Förderung humanistisch abendländischer Kultur